Wolf
Wondratschek: Mittagspause
Sie sitzt im Straßencafé.
Sie schlägt sofort die Beine übereinander.
Sie hat wenig Zeit.Sie
blättert in einem Modejournal. Die Eltern wissen,
daß sie schön ist. Sie sehen es nicht
gern.Zum
Beispiel. Sie hat Freunde. Trotzdem sagt sie nicht,
das ist mein bester Freund, wenn sie zu Hause einen
Freund vorstellt.Zum
Beispiel. Die Männer lachen und schauen herüber
und stellen sich ihr Gesicht ohne Sonnenbrille vor.Das
Straßencafé ist überfüllt.
Sie weiß genau, was sie will. Auch am Nebentisch
sitzt ein Mädchen mit Beinen.Sie
haßt Lippenstift. Sie bestellt einen Kaffee.
Manchmal denkt sie an Filme und denkt an Liebesfilme.
Alles muß schnell gehen.
Freitags
reicht die Zeit, um einen Cognac zum Kaffee zu bestellen.
Aber freitags regnet es oft.Mit
einer Sonnenbrille ist es einfacher, nicht rot zu
werden. Mit Zigaretten wäre es noch einfacher.
Sie bedauert, daß sie keine Lungenzüge
kann.
Die
Mittagspause ist ein Spielzeug. Wenn sie nicht angesprochen
wird, stellt sie sich vor, wie es wäre, wenn
sie ein Mann ansprechen würde. Sie würde
lachen. Sie würde eine ausweichende Antwort
geben. Vielleicht würde sie sagen, daß
der Stuhl neben ihr besetzt sei. Gestern wurde sie
angesprochen.